Mittwoch, 26. November 2014

"Billig-China Baitcaster" im Selbsttest: Die Elite BX1000L von Bando/Eposeidon/Kastking

Momentan wird in einschlägigen Foren recht viel über Baitcasterrollen aus China diskutiert. Gut, sehr viele unserer Rollen die wir hier nutzen kommen wohl aus China (oder Korea), aber ich meine Rollen, deren Name man hier eigentlich nicht kennt. Und die trotz ausgezeichneter Werte auf dem Papier fast lächerlich wenig kosten. Ist so eine Rolle eine Empfehlung für Anfänger der Baitcasterei, die erstmal in die Materie reinschnuppern wollen? 

Nun hat mich mein Detektivherz (Überbleibsel aus Yps-Tagen) dazu gebracht mir mal so ein Teil zu zu legen. Ich wollte einfach mal schauen was dran ist an so einer Rolle. Und mit unter 40 Euro bis an die Haustür war das Risiko überschaubar.
Man kann die Rollen bei Ebay kaufen und muss nicht mal in China direkt bestellen. Es gibt mindestens einen Händler, der die Rollen aus Deutschland verschickt. 
Ich habe mich für eine Rolle entschieden die zwei Bremssysteme hat. Zum einen verfügt sie über ein Magnetbremssystem, zum anderen über ein Fliehkraftsystem. Einige Abu Garcia Rollen haben sowas an Bord und ich habe ganz gute Erfahrungen damit gemacht. Mit dem Fliehkraftsystem (wie bei Shimanorollen üblich) nimmt man die Grobeinstellung vor, mit dem Magnetsystem (wie bei Daiwarollen üblich) dann das Feintuning. Soweit die Theorie. Die BX 1000L ist auch mit die Teuerste der Billigen, was mir ein gewisses Gefühl der Sicherheit beim Bestellen gab.

Blick ins Innere
Die Daten lesen sich sexy: 13 Kugellager, 215 Gramm, Keramikschnurführung, Allround-Übersetzung von 6,3: 1, Mehrscheibenbremse mit 7,5 KG Bremskraft, CNC-gefräste Aluspule. Das Gehäuse ist aus Graphit und ist somit auch Salzwasserfest. Übrigens ist mir nicht ganz klar geworden wie die Marke der Rolle eigentlich heisst. Auf dem Karton steht Bando, im Netz wird sie als Rolle von Kastking bzw. Eposeidon angeboten. Moglicherweise ist Bando der Hersteller und die beiden anderen vertreiben sie dann unter ihrem Namen.

Erster Eindruck: Wow. Sieht erstmal super aus und liegt gut in der Hand. Beim Probekurbeln fühlt sie sich an wie meine Premier. Die Sternbremse und die Spulenbremse haben "Klicker", beim Einstellen hört man also ein Klickgeräusch was mir schon immer sehr gut bei Aburollen gefallen hat. Das Magnetbremssystem lässt sich von Außen per Drehknopf einstellen, für das Fliehkraftsystem muss man, wie üblich, den Seitendeckel öffnen.

Wie üblich, wenn ich mir eine neue Rolle kaufe, nehme ich die Knobs ab um die Lager darunter zu reinigen und neu zu ölen. Das Gleiche passiert mit den Spulenlagern um sie leichter zum Drehen zu bringen. Zum Vorschein kommen unter jedem Knob 3! Lager. Die Spule wird ebenfalls von 3 Lagern gehalten. Wow! es ist zwar ein beliebter Trick bei Billigrollen, diese mit einer großen Zahl von Kugellagern wertiger erscheinen zu lassen. Aber wenn ich mir anschaue wie sehr einige der großen Hersteller hier sparen, ist die Chinarolle schon sehr gut ausgestattet. Vor Allem weil die Lager sich nach dem Bad in Waschbenzin hervorragend frei drehen und von recht guter Qualität zu sein scheinen. Eine hohe Anzahl Lager nüte  nichts, wenn Diese Mist sind und so eher den Lauf der Rolle bremsen.

Am Wasser: Werfe ich eine Perücke nach der Anderen. Die Magnetbremse ist voll aufgedreht und wie es scheint muss ich doch das Fliehkraftsystem aktivieren. Ich dachte ich komme vielleicht ohne aus. Doch was ist das? Wenn ich einen Pin aktiviere dreht sich die Rolle kaum noch...Der Pin scheint so ungleichmäßig und kratzend am inneren der Rolle zu bremsen, dass Fischen hiermit null Spass macht. Ohne Pin ist die Rolle allerdings sowas von zickig, das ich sie kaum beherschen kann.
Rad zum einstellen der Magnetbremse
Im Gegensatz zu meinen sonstigen Gewohnheiten muss ich mit der dritten Bremse, der Spulenbremse arbeiten, um überhaupt Werfen zu können. Ich muss sie fast komplett zudrehen um die Rolle beherrschen zu können. Krass. Die Rolle wirft also ZU gut. Damit habe ich nicht gerechnet. Erwartet habe ich eigentlich ein Wurfergebnis, das weit hinter meinen sonstigen Tuningrollen im Preisbereich mehrerer Hundert Euro liegt. Ist aber nicht so. Das Ding geht ab wie Sau! Allerdings ist der Bereich zwischen Riesenperücke und Superwurf echt schwer einzuschätzen.
Zuhause bekommen die Spulenlager erstmal eine Riesenladung vom dickflüssigen Shimanoöl. Vorher hatte ich sie wie üblich mit "Rocketfuel Yellow Label" geölt. Aber dieses Highspeedöl ist wohl nix für die Rolle. Mit dem dickeren Öl wurde sie viel gutmütiger und beherrschbarer. Und wirft immer noch sehr gut. Jetzt kann man damit fischen, auch wenn es weiterhin keine Rolle ist die besonders anfängerfreundlich ist. Aber mit etwas Geduld und einem schnellen Daumen funktioniert es.

Der Eindruck nach mehreren Wochen: Der ruhige Lauf vom Anfang hat sich doch schnell gegeben und einem raueren Gefühl Platz gemacht. Zwar habe ich sie zwischenzeitlich geöffnet und neu gefettet, aber ganz wegbekommen habe ich dieses raue Gefühl nicht. Allerdings habe ich das auch schon bei meinen wesentlich teureren BC-Rollen so erlebt. Von Werk aus war übrigens quasi kein Fett drin.
Die Rolle hat recht viel "Backplay", man spürt die recht großen Toleranzen des Getriebes. Aber nichts zum Verzweifeln, sondern eben ein spürbarer Unterschied zu besseren Rollen. Das Graphitgehäuse ist eben nicht so verwindungssteif wie Metall und sicher auch Zeichen des günstigen Preises. Die Drillbremse ist sehr gut, ich habe nichts zu bemängeln. Anfangs schien sie etwas ruckelig anzulaufen. Nach kurzer Zeit hat sie sich jedoch eingelaufen und überzeugt mich mit ausreichend Kraft. Ich habe nicht unter 7 Gramm geworfen um mir Frust zu ersparen- Freude kam ab ca. 10, 12 Gramm auf.

Um sie zu verbessern habe ich das unnütze Fliehkraftbremssystem ausgebaut und das Magnetsystem um einen kleinen Neodymmagneten erweitert, um dieses etwas stärker zu machen. Allerings bin ich mir nicht sicher ob es was gebracht hat. Zum Werfen muss die Spulenbremse weierhin fast komplett geschlossen werden.
Viele Details erinnern an etablierte Marken und wesentlich teurere Rollen
Fazit: Licht und Schatten: Ich ärgere mich etwas darüber, dass in den Details geschlampt wurde. Die Rolle hätte das Potential für einen Geheimtipp und verspielt dies leider mit dem unzureichend durchdachten Bremssystem. Für Anfänger der Baitcasterei finde ich sie nicht ohne weiteres empfehlenswert. Die Rolle ist doch recht speziell und ich glaube, dass man zum Starten mit einer Gebrauchten Rolle ,z.B. von Abu aus der Revo Serie oder einer Shimano Chronarch , besser bedient ist. Man kauft hier Bewährtes und muss verliert nicht so schnell den Spaß am Werfen.
Andererseits haben wir hier eine sehr gut ausgestattete Rolle, die fast zu gut wirft und keine Weitenwünsche offen lässt. Sie hat Klicker und schnell drehende Spulenlager, die erstmal beherrscht werden wollen. Tuning scheint hier nicht nötig. Ist die Rolle also was für Experten? Auch nicht so richtig. Diese Jungs greifen eher auf Hochpreisiges zurück und erparen sich so auch möglichen Frust. Ob andere Rollen aus diesem Lager, welche nur mit Magnetbremse ausgestattet sind, besser zu beherrschen sind weiß ich nicht. Ich habe natürlich nur ein Modell stichprobenartig getestet. Gleichzeitig bin ich aber davon überzeugt, das keine der etablierten Marken eine Rolle in diesem Preisbereich anbietet, die ähnlich gut ausgestattet ist.

Einerseits hat das Teil Potential um bei richtiger Handhabung ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern- andererseits ist diese richtige Handhabung nicht ganz leicht zu bewerkstelligen.

Allzeit stramme Schnur,
Euer Dennis.